Eingesperrt von Google
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Seit einigen Jahre macht sich WhatsApp auf den Smartphones meiner Kontakte breit. Natürlich werde ich von meinen Bekannten auch immer wieder aufgefordert das Programm doch zu installieren. Ich wollte das nie. Mir war es zuwider mich auf einen proprietären Dienst einzulassen wenn es offene Alternativen gibt. Diese offene und Anbieter übergreifende Alternative war und ist Jabber bzw. XMPP (zwei Namen für das gleiche).
Nun ist dies erst einmal aber nur ein Protokoll und damit nichts was man nutzen könnte. Was ein Jabber-Nutzer braucht ist ein Programm und Diensteanbieter. Hierfür war meine Empfehlung bisher Google Talk. Als Programm super integriert und vorinstalliert auf jedem Android-Telefon. Eine einfach zu bedienende Oberfläche, die auch für einen „Normalmenschen“ verständlich ist. Nichts was von Freaks für Freaks gemacht ist. Als Anbieter stand Google mit einem super stabilen Dienst dahinter.
Bisher eine tolle Sache: einerseits konnte man komplett abgestimmt alles aus einer Hand bekommen, andererseits konnte man mit Nutzern bei anderen Anbietern chatten und wenn man wollte sogar einen eigenen Server installieren. Echt klasse!
Mit meiner Weigerung ein geschlossenes Messaging zu nutzen und meinem andauernden Hinweis auf die freie Alternative habe ich auch einige Freunde und Bekannte zu Google Talk gebraucht.
Aus Google Talk wird Hangouts
Zur diesjährigen Konferenz Google I/O wurde „Talk“ nun zu „Hangouts“. Ein soweit vernünftiger Schritt. Google hat in den letzten Jahre mehrere miteinander nicht wirklich sinnvoll verzahnte Kommunikationsdienste gestartet. Neben „Google Talk“ gab es „Google Voice“, „Google+ Messenger“ die bisherigen „Hangouts“ und eine Zeit lang sogar „Google Wave“. Für einen Nutzer hat es keinen Sinn gemacht das gleiche über verschiedene Produkte machen zu können. Auch für mich war es verwirrend einen Kontakt mehrfach online zu sehen: mal als Talk-Kontakt, dann als Google+-Kontakt und als was weiß ich noch. Wieso sollte ich bevor ich mit jemandem chatten oder (video)telefonieren wollte erst überlegen in welchem Programm ich das mache? Ich habe also überhaupt nichts dagegen einzuwenden, dass hier aufgeräumt wurde und die verschiedenen Kommunikationswege unter eine Haube mit dem Namen „Google Hangouts“ gebracht werden. – Im Gegenteil: das ist eine prima Sache. Die Nutzung eines Kommunikationsdienstes muss einfach und übersichtlich sein.
Tatsächlich passiert ist aber gleichzeitig noch etwas viel weitreichenderes: Google hat beschlossen die eigenen Nutzer ihrer Plattform nicht mehr mit Nutzern anderer Anbieter kommunizieren zu lassen. Nikhyl Singhal, Direktor Produktmanagement für Echtzeitkommunikation bei Google drückt das (ab 5:07 in unten stehendem Video) so aus: „Hangouts is not based on top of the XMPP standard. […] We have essentially made a hard decision to focus less on the XMPP standard and more on what are users looking for.“ (Hangouts baut nicht auf den XMPP-Standard auf. Wir haben im Wesentlichen die schwere Entscheidung getroffen uns weniger nach dem XMPP-Standard zu richten und mehr danach was Nutzer suchen.“) Nun das klingt vielleicht gut, ist inhaltlich aber Mist.
Wie oben schon erwähnt ist XMPP ein Protokoll und nichts was Nutzer direkt nutzen. Nach was die Nutzer schauen ist das Nutzungserlebnis, die Oberfläche und der Funfaktor eines Dienstes. Wo liegt da der Widerspruch? Wieso sollte man wenn man sich hierauf konzentriert darunter nicht XMPP benutzen? XMPP ist das „eXtensible Messaging and Presence Protocol“ (erweiterbares Protokoll für Nachrichtenvermittlung und Präsenz). Das Schlüsselwort hierbei ist extensible bzw. erweiterbar. Es ist gar kein Problem in XMPP all die schönen Dinge zu tun, die Google mit Hangouts machen möchte.
Ich denke, der Grund wieso Google die eigene Plattform gegen außen abschottet ist auch ein ganz anderer: der Nutzer soll an Google gebunden werden. Man möchte es einfach nicht mehr, dass auch mit Kontakten bei anderen Anbietern die Kommunikation möglich ist. Man möchte, dass diese Kontakte auch zu Google kommen müssen.
Das ganze ist ähnlich wie die Einstellung von Google Reader nächsten Monat. Auch dies war ein offener Standard über den ein Google-Nutzer Nachrichtenfeeds von anderen Anbietern abonnieren und lesen konnte. Auch dieser Dienst wird eingestellt, da man es lieber sieht, dass der Nutzer sich seine Nachrichtenfeeds über die geschlossene Platform „Google+“ bezieht.
Was nun?
Für mich ist der Grund wieso ich Talk anstatt anderer Messenger benutzt habe weggefallen. Ich will nicht in den Dienst eines Providers eingesperrt sein. Meine bisher bei Google gehostete Jabber-Adresse m@tthias.eu läuft seit gestern wieder auf einem freien Server. Noch bin ich unter der gleichen Adresse auch bei Google Talk/Hangouts erreichbar. Aber vermutlich wird dies über kurz oder lang ein Ende haben. Bis dahin bin ich noch auf der Suche nach einem benutzerfreundlichen und gut mit Mobilfunkverbindungen klarkommenden Jabber-Programm für Android. Wer weiß, vielleicht gibt es das ja schon und ich kenne es nur noch nicht. Nach der Ankündigung, dass Google Reader eingestellt wurde, war ich auch überrascht welche tolle Alternative ich in Feedly finden konnte. Empfehlungen nehme ich gerne entgegen.
Und WhatsApp? Wenn Google nicht mehr besser ist, werde ich nun auch das unterstützen „was alle eh schon haben“? Nein, ich denke nicht.
Weitere Infos in folgenden Artkeln:
- Googles Chat-Client kappt Jabber-Kompatibilität, Artikel auf heise online
- Exclusive: Inside Hangouts, Google's big fix for its messaging mess, Artikel auf The Verge (englisch)